Bier

Bier

Das Bier ist das Ergebnis eines Zufalls, es entstand vor etwa 6000 Jahren in Mesopotamien. Im frühen Mittelalter brauten vor allem die Mönche Bier, um über die langen Fastenwochen hin wegzukommen. Die industrielle Revolution sorgte schließlich für weitere Neuerungen im Brauprozess.

Bier in der Vergangenheit

Die Sumerer

Die Geschichte des Bieres ist mit der Geschichte der Menschheit eng verwoben. Die nachweisbare Überlieferung beginnt vor 6.000 Jahren. Aus dieser Zeit stammen die frühesten Darstellungen des Bierbrauens. Als die Sumerer, das älteste Kulturvolk dieser Erde, an stehen gelassenem Brotteig den Gärprozeß wahrnahmen, diesen zu wiederholen verstanden und damit “brauten”, hatten sie ein wahrhaft göttliches Getränk entdeckt. Sie boten es denn auch ihren Göttern zum Opfer und ihren Königen zum Trank an, was in alten Keilschriftdokumenten überliefert ist. Die Biergöttin Ninkasi wachte fortan über die Bierherstellung. Die sumerischen Frauen bevorzugten zum Beispiel Bier, das aus Emmer hergestellt wurde, der ersten kultivierten Weizenart der Menschheitsgeschichte, die dem Dinkel sehr ähnlich ist. Auch Gewürze und Geschmacksstoffe wie Zimt und Honig wurden von den Sumerern dem Bier beigemischt. Im Louvre in Paris befinden sich kleine Tontafeln die das Bierbrauen der Sumerer darstellen. Sie stammen aus der Zeit um 4.000 v. Chr. und sind damit die ersten erhaltenen Darstellungen zu diesem Thema. Im 3. Jahrtausend v. Chr. entstand eines der großen Werke der Weltliteratur – das »Gilgamesch«-Epos. Hierbei sind in der Entwicklung vom Urmenschen zum kultivierten Menschen der damaligen Zeit – dem Sumerer – Brot und Bier von großer Bedeutung. Der Urmensch Enkidu, König von Uruk, will seine Kräfte mit dem halbgottähnlichen Herrscher »Gilgamesch« messen und wird nach dem Genuß von Brot und Bier “einem Menschenwesen gleich“. Die Sumerer nannten das Bierbrot »Bapir«, woraus wahrscheinlich über »Pir, Pier« das Wort »Bier« entstand.

Babylon und Ägypten

Babylonische und ägyptische Biertrinker
Babylonische und ägyptische Biertrinker

Babylonische und ägyptische Biertrinker.

Im alten Babylon und Ägypten trank man Bier mit langen Rohren.

So war die Gefahr geringer, dass man den Bodensatz des ungefilterten Bieres in den Mund bekam.

Im 2. Jahrtausend v. Chr. zerfiel das sumerische Reich, Babylonier kamen an die Macht. Sie bauten auf der Kultur der Sumerer auf und übernahmen von ihnen unter anderem die Kunst des Bierbrauens. Die Babylonier brauten bereits zwanzig (!) verschiedene Sorten Bier und exportierten Lagerbier sogar bis ins 1.000 km entfernte Ägypten. Der babylonische König Hammurabi (1728 bis 1686 v. Chr.) ließ schon damals, zusammen mit anderen Vorschriften, strenge Biergesetze in eine Dioritsäule meißeln. Dieser »Codex Hammurabi« ist die älteste Gesetzessammlung der Welt. Die Bevölkerung bekam “ihr täglich Bier”, welches sie »sikaru« nannten, nach der sozialen Stellung zugeteilt – Arbeiter zwei Liter täglich, Beamte drei, Verwalter und Oberpriester fünf Liter! Dieser Dioritstein wurde 1902 bei Susa im Irak gefunden und befindet sich heute im »Louvre« in Paris.

Die Ägypter stellten später selbst transportfähiges Bier her, das sie in Krügen aus rotem Ton verschickten. Diese wurden mit Tonstöpseln verschlossen, verschnürt und versiegelt. Es gab acht verschiedene, in zwei Gruppen eingeteilte, Biersorten – »Zythos« (Normalbier) und »Dizythos« (Starkbier). Eine ägyptische Wandmalerei aus dem Grab des Kenamon in »Schech Abd el Gurna« bei Luxor, entstanden um das Jahr 1500 v. Chr., zeigt, wie die alten Ägypter Bier brauten. Kenamon war ein hoher Beamter im Dienste des siebten Pharaos der 18. Dynastie Amenophis II. (1425 – 1397 v. Chr.). Die Ägypter gaben dem Sud Datteln hinzu, damit das Bier schmackhafter wurde. Welche Bedeutung das Bierbrauen auch im antiken Ägypten hatte, lässt sich an der Tatsache erkennen, dass die ägyptischen Schriftgelehrten eigene Begriffe für die Bierherstellung einführten (siehe Abbildungen oben). Die alten Ägypter glaubten, dass das Bier eine Erfindung und ein Geschenk des Gottes des Jenseits Osiris sei, was das Bier auch zu einer wichtigen Grabbeigabe machte. Ärzte verwendeten Bier ubd Bierschlamm zu Heilzwecken und Linderung von Beschwerden. Bierbrauen war im antiken Ägypten Staatsmonopol. Im letzten vorchristlichen Jahrhundert als die mazedonischen Ptolemäer die Herrscher (u.a. Kleopatra) Ägyptens wurden, erhoben sie auf Bier die erste Getränkesteuer der Welt, um den Bau von Pyramiden finanzieren zu können. Altägytens Braumetropole war die Stadt Pelusium an der Bucht, mit dem heutigen Namen »Khalij at Tinah«, nahe der Mündung des Suez-Kanals in das Mittelmeer.

 

Getränk der Germanengötter

Da braut sich was zusammen” – diese bekannte und heute noch gebräuchliche Redensart stammt daher, dass die Germanen glaubten, ein Gewitter entstehe deshalb, weil sich Wotan (Wodan, Odin, Oden), der germanische Göttervater und höchster der Asen, und Frigga, die germanische Göttermutter, höchste der Asinnen und Schutzherrin der Ehe und Mutterschaft, sowie die Hüterin des Herdfeuers und des Haushaltes, um den Besitz des Braukessels stritten! Bei den Germanen fiel das Bierbrauen übrigens in den Aufgabenbereich der Frauen. Die Frauen brauten den »Meth«, das mit Honig versetzte Bier. Der älteste Nachweis, dass Bier auf deutschem Boden gebraut wurde, stammt aus der Zeit um 800 v. Chr. Es sind dies Bieramphoren der frühen Hallstattzeit (etwa 800 bis 450 v. Chr.), die im oberen Maintal bei Kasendorf in der Nähe von Kulmbach (Ofr) gefunden wurden. Diese Amphoren waren Grabbeigaben eines vornehmen Germanen und enthielten noch Spuren von Fladenbrotbier. Bereits in den ersten Jahrhunderten nach Christus war Bier bei uns Handelsware. Dies belegt ein Bierverlegerstein aus dem Jahre 250 n.Chr., der bei der »Porta Nigra« in Augusta Tevevorum, dem heutigen Trier, gefunden wurde. Dieser Stein gehörte einer Dame mit dem Namen Hosida Materna. Sie dürfte die wohl erste Frau in diesem Geschäft (negotiator cervesarius) in Deutschland gewesen sein. Wie bei den Ägyptern galt auch bei den Germanen Bier nicht nur als Götteropfer. So sind beispielsweise in der finnischen Volksdichtung Kalewala allein 400 Verse dem Bier gewidmet und nur 200 Verse der Erschaffung der Welt! Die Finnen waren zwar keine Germanen, aber sie wurden sehr stark von den Nordgermanen beeinflußt.

Bier im Mittelalter

Im frühen Mittelalter waren es vor allem zwei Orte, an denen sich das Backen und die traditionelle Braukunst entwickelten. Man backte und braute in den Klöstern und seit dem 5. Jahrhundert landauf, landab in beinahe jedem Haushalt für den eigenen Bedarf.
“Heute back’ ich, morgen brau’ ich, (…..)” – mit diesem Spruch des hüpfenden »Rumpelstilzchens« im gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm findet die jahrhundertelange Verbindung zwischen Backen und Brauen auch einen Beleg im klassischen Märchen. Diese griffen häufig Begebenheiten des täglichen Lebens auf und spiegelten die Sorgen und Wünsche der Menschen wider. Lange bevor sich der Berufsstand der Brauer ausbildete, gehörten Backen und Brauen, vor allem für die auf dem Lande lebenden Selbstversorger, zum alltäglichen Geschäft. Backtag und Brautag fanden hintereinander an derselben Feuerstelle statt. Die durch den Backvorgang vermehrt freigesetzten Hefen schwirrten durch die Luft und konnten bei der Bierherstellung den Gärungsprozess rasch in Gang setzen. Während des gesamten Mittelalters trank man selbstgebrautes Bier zu den meist aus Getreidebrei oder Brot bestehenden Mahlzeiten. Verbraut wurde in der Regel Hafer. Erst seit dem 9. Jahrhundert verwendete man auch Weizen oder Gerste. Daneben gab es bis ins 16. Jahrhundert hinein Roggen-Biere. Sogar gekocht wurde mit diesem Getränk. Folgerichtig waren es auch die Frauen, die Bier brauten, ebenso wie sie die Familie mit Brot versorgten. Vielfach gehörte ein Sudkessel sogar zur Mitgift, in den Dörfern Westfalens war das noch bis ins 18. Jahrhundert üblich. Hausfrauen, die frisch gebraut hatten, luden ihre Nachbarinnen zum »Sudkränzchen« ein, bei dem es oft üblich war, Brot ins Bier zu brocken und so zu essen. Aus diesem Brauch entwickelte sich später das berühmte »Kaffeekränzchen« mit Kaffee und Kuchen. Bevor man den edlen Gerstensaft aber regelmäßig mit Hopfen würzte, wurde mit allerlei tollkühnen Kräutermixturen, der sogenannten Grut, herumexperimentiert, um das Bier schmackhafter zu gestalten, die Alkohol- und Rauschwirkung von schwachen Bieren zu verstärken und schale oder verdorbene Biere wieder genießbar zu machen. Einige Brauer und Brauerinnen mischten Wacholder, Schlehe, Kümmel, Anis, Lorbeer oder Gagel bei, andere panschten mit Porst, Stechapfel und Bilsenkraut. Das wiederum war nicht nur ausgesprochen giftig, sondern führte auch zu Halluzinationen und Vergiftungserscheinungen. Die armen Zecher konnten ihren Augen nicht mehr trauen und suchten die Schuld für ihre Desorientierung und Wahnvorstellungen bei mutmaßlichen Bierhexen, auf die dann der knisternde Scheiterhaufen wartete. Die letzten Bierhexen verbrannte man im Jahre 1737 in Düsseldorf-Gerresheim, 1749 in Würzburg und 1782 in der Schweiz. Aber auch wer mehrmals hintereinander ein Bier von gleichbleibendem Geschmack und Qualität braute (was auf Grund des unkontrollierbaren Gärprozesses durch wilde Hefen eigentlich nicht möglich war), lief Gefahr, von neidischen Braukolleg(inn)en angezeigt zu werden. Am Ende der darauf folgenden Befragung durch die Mitarbeiter der »Inquisition« stand dann auch meist der Scheiterhaufen, da die hohen geistlichen Herren in der Regel zu der Erkenntnis kamen, dass die Brauperson mit dem “Teufel im Bunde sein müsse”.

Braukunst der Klöster

Wie das Brotbacken zählte auch das Bierbrauen in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung zu den Aufgaben der Frauen. Erst kurz vor der ersten Jahrtausendwende mit der Christianisierung Mitteleuropas nahmen sich die Klöster der Braukunst an. Als erste befaßten sich Benediktiner-Mönche wissenschaftlich mit Bier. So soll in Brabanter Klöstern zum Würzen des Bieres zum ersten Mal Hopfen erprobt worden sein. Daraus entstand wahrscheinlich die Sage vom Brabanter König Gambrinus als Erfinder des Bieres. Er wird noch heute als Schutzpatron der Brauer und Bierliebhaber verehrt. Eine Chronik aus dem Jahre 820 n. Chr. erwähnt das Kloster St. Gallen als erste Brauerei unter der Leitung von Mönchen. Die Herstellung von Bier kann im ehemaligen Benediktinerkloster auf dem Michaelsberg in Bamberg ab 1122 urkundlich nachgewiesen werden. Die Ordensbrüder legten Hopfengärten an und verfeinerten ständig den Geschmack des Bieres. Aber sie arbeiteten auch intensiv daran, ein besonders nahrhaftes und starkes Bier herzustellen. Das war ihnen wichtig, um die harten Einschränkungen der kargen Fastenzeit umgehen zu können, denn “was flüssig ist, bricht kein Fasten”, lautete die Regel. Nach einer Legende sollen die bierbrauenden Mönche vorsichtshalber eine Probe des Gerstensaftes über die Alpen nach Rom geschickt haben. Der Papst sollte sich davon überzeugen, dass sie dieses Getränk auch wirklich zur Fastenzeit zu sich nehmen durften. Das Gebräu überstand den langen Weg aber nicht unbeschadet und kam als saure Brühe vor den »Pontifex Maximus«. Der sah in dem zweifelhaften Genuss dieser Brühe eher eine Buße, als eine Freude und gab seinen Segen. Diese päpstliche Freigabe freute die Mönche natürlich sehr. Die Mönche brauten jedoch ihr Bier nicht nur für den eigenen Durst. Mit der Zeit entwickelten sich die Klöster zu sehr lukrativen Wirtschaftsbetrieben. Die Mönche erhielten das Recht das Bier gewerblich zu vertreiben. Das war die Geburt der Klosterschenken, in denen das von den Mönchen gebraute Bier an jedermann verkauft wurde. Im Jahre 1696 erhielten auch die Frauenklöster das Recht zum Biersieden und Schnapsbrennen. Noch heute leitet eine Nonne als Braumeisterin die Brauerei des Franziskanerinnen-Klosters Mallersdorf Kreis Straubing-Bogen, Niederbayern.

Klosterbrauerei Ettal Braustätte seit 1609 (bis dahin brauten die Mönche im nahegelegenen Oberammergau)

Klosterbrauerei Ettal Braustätte seit 1609
(bis dahin brauten die Mönche
im nahegelegenen Oberammergau)

Klosterbrauerei Andechs Braustätte seit 1455

Klosterbrauerei Andechs
Braustätte seit 1455

Klosterbrauerei Weltenburg Braustätte seit 1050 älteste Klosterbrauerei der Welt

Klosterbrauerei Weltenburg
Braustätte seit 1050
älteste Klosterbrauerei der Welt

Benediktiner-Braustätte seit 1618 Franziskanerinnen-Braustätte seit 1881

Benediktiner-Braustätte seit 1618 Franziskanerinnen-Braustätte seit 1881

Inzwischen hatte sich die Braukunst aber auch in den aufblühenden Städten zum angesehenen Handwerkszweig entwickelt. Für die bürgerlichen Brauereien war das Mönchsbier natürlich eine Konkurrenz und es wurde darauf geachtet, dass die Klosterbrauereien nicht zu mächtig wurden. Der Streit eskalierte mancherorts, zumal die Klöster (im Gegensatz zu den privaten Brauhäsern) in der Regel keine Abgaben und Steuern auf ihr Bier zahlen mussten. Die bürgerlichen Brauer zerstörten Klosterschenken und verbrannten die Fässer der Mönche. Die Brauerei des Zisterzienserklosters in Altzella bei Dresden ging in Flammen auf. Die Bierabgaben und Biersteuern der bürgerlichen Brauhäser füllten immer mehr die Kassen der jeweiligen Landesherren. Wegen des Unfriedens zwischen bürgerlichen und klösterlichen Brauereien und weil der abgabenfreie Verkauf von Klosterbier diese gute Steuereinnahmequelle beeinträchtigte, wurde der Verkauf von Klosterbier von vielen Landesfürsten kurzerhand verboten und die Klosterschenken geschlossen. Als erster erließ der römisch-deutsche Kaiser Sigismund (* 1368, reg. ab 1411, † 1437) einen derartigen Erlaß. Die »Säkularisation« im Jahre 1803 war das endgültige Aus für die Klosterbrauereien, die entweder ganz geschlossen, privatisiert oder in staatliches Eigentum umgewandelt wurden. Der Braumeister der ehemaligen Klosterbrauerei in Weihenstephan ist heute bayerischer Staatsdiener. Trotzdem haben einige echte Klosterbrauereien bis heute überlebt. Die bekanntesten sind die Benediktiner-Klöster Andechs (seit 1455), Kreis Starnberg (Obb), Ettal (seit 1609), Kreis Garmisch-Partenkirchen (Obb) und die älteste Klosterbrauerei der Welt Weltenburg, Kreis Kelheim, Niederbayern. Seit anno 1050 wird hier edelster Gerstensaft in der Tradition der Benediktiner-Mönche gebraut.

Das Kloster St. Gallen

Das um das Jahr 720 gegründete Kloster bestand neben den üblichen klösterlichen Gebäuden auch aus drei Brauereien, von denen jede eine spezielle Biersorte herstellte. In der Klosterbrauerei St. Gallen wurde praktisch erstmals die Bierproduktion professionell betrieben. Über hundert Mönche arbeiteten in den Brauereien, unterstützt von einer noch größeren Anzahl weltlicher Helfer. Die Brauereipläne waren auch Vorlage für viele Klosterbrauereien in ganz Europa. Jede dieser drei Brauereien braute eine spezielle Bierqualität, aber alle drei hatten einen gemeinsamen Getreidespeicher. Der war in Form eines Kreuzes angelegt, “damit der Segen Gottes immer auf dem Biere liege”. Im Getreidespeicher wurde auch gedroschen und Grünmalz bereitet. Man brachte das Getreide zum Keimen, indem man es immer wieder mit Wasser besprengte. Nach dem Keimen kam das Getreide in die Darre, die – mit ihrem steinernen Rauchfang über dem Darrofen – im Brauhaus zweiter Klasse untergebracht war, in dem das Bier für die Mönche hergestellt wurde. Auch die Malzquetsche, in der das Malz mit zwei großen Mörsern geschrotet wurde, stand dort. In jedem der drei Brauhäuser gab es sowohl einen Sudraum als auch einen Gär- und Kühlraum. Die Kessel standen auf großen gemauerten Öfen. In ihnen wurde gemaischt und gebraut. Der Sud wurde mit Holzeimern ausgeschöpft, im zweiten Raum zum Auskühlen in flache Holztröge geschüttet und dann in die Gärbottiche geschöpft. Erstaunlicherweise gab es anfangs keine Lagerräume für das Bier. Die wurden erst im 12. Jahrhundert gebaut. Bis dahin wurde das Bier frisch getrunken, wie es aus dem Gärbottich kam. Überliefert wurde das alles vom Abt des Klosters St. Gallen Ekkehard IV. (* um 980 † 1060), einem lateinisch schreibenden Gelehrten, Chronisten und Lyriker. Ekkehard führte die, von dem Mönch Ratpert († 890) begonnene, Klosterchronik »Casus Sancti Galli« fort. In den drei Brauhäusern des Klosters wurden die folgenden Biersorten hergestellt:

»Celia« hieß das kräftige, füllige Starkbier, das manchmal aus Gerste, zuweilen aus Weizen und oft auch aus beidem bestand. Es war in erster Linie für den Abt und vornehme Gäste bestimmt. Aber auch die Mönche bekamen an Fest- und Feiertagen davon. Abt Ekkehard IV. pflegte es zu segnen “Fortis ab invicta cruce celia sit benedicta – Gesegnet seist du, Starkbier vom unbesiegten Kreuze!”.

»Cervisa« (lateinisch korrekt eigentlich »Cerevisia«, benannt nach Ceres, der Göttin des Ackerbaus, des Getreides und der Feldfrüchte) war das alltägliche Haferbier für Mönche und Pilger. Es wurde den ganzen Tag über getrunken, stets aber um neun Uhr als »Cerevisia nonalis«, zur Erinnerung an die neunte Stunde, in der Christus dürstend am Kreuze hing.

»Conventus« hieß der etwas dünne Absud von dem Rest der Würze der stärkeren Biere, dem noch frisches Hafermalz zugesetzt wurde. Das Getränk war für das Klostergesinde und die Bettler bestimmt. Es ist jedoch nicht genau überliefert, ob dieses dünne Bier in St. Gallen schon den Namen »Conventus« trug. In vielen Klöstern wurde jedoch diese Bezeichnung später verwendet.

Das Reinheitsgebot

Auf die Medaille, ließ der »Verband mittelständischer Privatbrauereien« im November 1981 in Gold, Silber und Bronze prägen. Auf der Vorderseite ist der Bayernherzog Wilhelm IV. abgebildet und die Rückseite trägt den für die Biergeschichte so bedeutsamen Kernsatz des Reinheitsgebotes. Der Erlaß des Reinheitsgebotes war zweifellos ein markantes Datum in der Geschichte des Bieres und wird heute alle Jahre am 23. April als »Tag des Bieres« von den deutschen Brauern gewürdigt. Verkündet und erlassen wurde das Bayerische Reinheitsgebot am Georgitag, dem 23. April 1516 auf dem Landständetag (Zusammenkunft der Verteter des Adels, der Prälaten, und der Abgesandten der Städte und Märkte) zu Ingolstadt durch die beiden damals Bayern gemeinsam regierenden Herzöge Wilhelm IV. (* 1493, reg. ab 1511, † 1550) und seinem jüngeren Bruder Ludwig X. (* 1495, reg. ab 1514, † 1545). Das Kernstück dieses Gebots besagte, dass Bier nur aus Gerste (später Gerstenmalz), Hopfen und Wasser gebraut werden durfte. Die Verwendung von Hefe war damals noch nicht bekannt und somit blieb die Gärung dem Zufall überlassen. Das Reinheitsgebot von 1516 ist die älteste, noch heute gültige lebensmittelrechtliche Vorschrift der Welt. Die Originalurkunde wird heute in der Bayerischen Staatsbibliothek in München aufbewahrt.

Doch diese heute bekannteste Fassung des Reinheitsgebotes ist keineswegs der erste Versuch gewesen, die Herstellung von Bier in geordnete Bahnen zu lenken. Sie stellt vielmehr Höhepunkt und Abschluss einer sich über mehrere Jahrhunderte hinweg erstreckenden rechtlichen Entwicklung dar, im Rahmen derer die jeweiligen Obrigkeiten das Ziel verfolgten, die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigem und preiswertem Bier zu garantieren, aber auch gleichzeitig sicherzustellen, dass noch ausreichend Getreide für Brot und Viehfutter vorhanden war. Solche Vorschriften lassen sich übrigens auch außerhalb Deutschlands bis weit in das vorchristliche Altertum zurückverfolgen. Für das Hochstift Bamberg wurde bereits im Jahre 1489, also 27 Jahre vor dem Bayernerlass, von Fürstbischof Heinrich III. Groß von Trockau (* 1451, reg. ab 1487, † 1501) das »Bamberger Reinheitsgebot« erlassen, in dem er bestimmte, dass beim

Der Wortlaut des Bayerischen Reinheitsgebots von 1516 (übersetzt ins Neuhochdeutsche):

Der Wortlaut des Bayerischen Reinheitsgebots von 1516 (übersetzt ins Neuhochdeutsche):

Wie das Bier im Sommer und Winter auf dem
Land ausgeschenkt und gebraut werden soll

Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, dass forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die kein besondere Ordnung dafür haben, von Michaeli bis Georgi ein Maß oder ein Kopf Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll.

Wo aber einer nicht Märzen-, sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen. Ganz besonders wollen wir, daß forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen. Wer diese unsere Anordnung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Faß Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtlich weggenommen werden. Wo jedoch ein Gauwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeine Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemandem erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken.

Auch soll uns als Landesfürsten vorbehalten sein, für den Fall, daß aus Mangel und Verteuerung des Getreides starke Beschwernis entstünde (nachdem die Jahrgänge auch die Gegend und die Reifezeiten in unserem Land verschieden sind) zum allgemeinen Nutzen Einschränkungen zu verordnen, wie solches am Schluß über den Fürkauf ausführlich ausgedrückt und gesetzt ist.

Gegeben von Wilhelm IV.
Herzog in Bayern
am Georgitag zu Ingolstadt
Anno 1516

(Anmerkung des Verfassers: Bayerische Maß = 1,069 Liter; Kopf = halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten (nicht ganz eine Maß);
Eimer = 60 Maß = 64,14 Liter; Heller = ein halber Pfennig)